Culm nach den Polnischen Teilungen

Culm wurde dem preußischen Staat schon während der Ersten Polnischen Teilung im Jahr 1772 einverleibt. Die neuen Herrscher zerstörten die bisherige, über Jahrhunderte gewachsene, Ordnung. Culm verlor seinen Status als Bischofsstadt. Die Verwaltungsgliederung wurde geändert. Anfänglich war geplant, den Rang Culms so zu erhöhen, dass es eine Konkurrenz zum (damals noch polnischen) Thorn darstellen konnte. Es entstanden mehrere Betriebe, es wurde eine Kadettenanstalt gegründet, Siedler wurden der Stadt zugewiesen, aber letztendlich scheiterte dieser Plan.

In den Jahren 1807 - 1815 gehörte die Stadt zum Herzogtum Warschau. Nach dem Wiener Kongress kam Culm jedoch wieder unter preußische Herrschaft, und zwar bis zum Jahr 1920. Die preußischen Behörden nahmen eine Kassation der katholischen Klöster der Benediktinerinnen, der Dominikaner und der Franziskaner vor. Die Gebäude an der Franziskanerkirche und an der Heilig-Geist-Kirche wurden abgebrochen. Das Kloster an der Dominikanerkirche brannte 1830 ab. In den Jahren 1860-1870 wurden die Stadttore abgerissen, wobei nur das Graudenzer Tor erhalten blieb (unberührt blieb auch noch das Merseburger Tor, das sich in der Nähe des Mestwin-Turms auf dem Klostergelände befindet). Im Jahr 1880 wurde neben dem Armeekasino eine neoromanische Garnisonskirche errichtet. Neue PromenadeEin Teil der Stadtgräben wurde zugeschüttet und die Alte und Neue Promenade angelegt, die sich vom Ausgang der ul. Rybacka bis zum Graudenzer Tor erstrecken. Die Stadt besaß drei Friedhöfe, nämlich einen evangelischen und jüdischen (heute befindet sich an ihrer Stelle ein Park) sowie seit 1815, als die Bestattungen an der Pfarrkirche eingestellt wurden, einen katholischen Friedhof, der außerhalb der Stadtmauer liegt. Die Stadt erweiterte sich stark in Richtung Bahnhof. Innerhalb der Stadtmauern wurde die alte Stadtbebauung wesentlich verändert, entweder durch den Wiederaufbau alter oder durch den Bau neuer Häuser. 1842 wurden Wasserleitungen verlegt, deren System weiter ausgebaut wurde. Auf dem Markt entstand ein Wasserturm, zu einem späteren Zeitpunkt an der ul. Dominikanska ein zweiter. Im Stadtteil Fischerei (Rybaki) wurden ein Wasserwerk und eine Gasanstalt (in der Stadt wurden Laternen installiert) geschaffen. Wegen der Geländetopografie wurde das Kanalisationssystem erst in den Jahren 1910-1912 gebaut. Südlich der Stadt entstanden im Browina-Tal ein Park (seit 1920 Slowacki-Park genannt) und Freizeitobjekte (Sportplatz).

Während der gesamten preußischen Zeit bildete Culm ein wichtiges Schulzentrum. In der Stadt gab es Grund- und weiterführende Schulen, nämlich das katholische Gymnasium mit einem sehr hohen Lehrniveau, das Realgymnasium sowie die Städtische Höhere Lehranstalt für Mädchen. Für das polnische Nationalbewusstsein spielte Culm während der Phase verstärkter Germanisierungsbestrebungen eine wichtige Rolle, denn hier erschien die erste polnische Schrift in Pommerellen. Der Januaraufstand setzte bei den Schülern des Gymnasiums patriotische Gefühle frei, es bildeten sich Philomatenvereinigungen. Wirkliche Hoffnungen auf eine Wiedergeburt des polnischen Staates kamen jedoch erst nach der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg auf, als das Culmer Land, Culm und ein Teil Pommerellens infolge des Versailler Vertrags Polen zufielen.

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